Wie bereitet man sich auf einen Ultra vor? Logisch, man geht in den Bergen wandern. Und wenn man schon wandern geht, warum dann nicht auf einem der schönsten „Höhenwege“ der grenznahen Alpen? Warum nicht einmal um den Wilden Kaiser? Nur der Matschschnee konnte uns aufhalten.
Wir nahmen uns bereits länger vor das durch den ersten Mai verlängerte Wochenende zum Laufwandern in den Bergen auszunutzen. Ob wir wirklich fahren und wenn ja, wohin, stand allerdings erst 5 Tage vorher fest. Mit Hinblick auf den Eiger Ultra Trail im Sommer war eigentlich das primäre Ziel die Schweiz gewesen, aber die Schneesituation bei zeitgleich völlig unbekannter Umgebung war uns dann unterm Strich doch zu ungewiss. Wir suchten also nach einer Tour in den Bergen, die ganz gut erreichbar und zudem wegen des zu erwartenden Schnees nicht allzuhohen Lagen durchläuft. Durch Zufall entdeckte ich auf outdooractive.com eine vielversprechende Rundtour um den Wilden Kaiser, die größtenteils unterhalb von 1600 hm verlief und an der wir uns orientieren konnten. Sieht gut aus, wird also gemacht. Mal schauen wie weit wir kommen.
Von Bonn nach Going
Per Mitfahrgelegenheit ging es für meine Freundin und mich direkt von Bonn nach Going am Wilden Kaiser. Wir erreichten unsere Unterkunft gegen 10 Uhr abends…und stellten dabei erstmal prompt fest, dass wir einen der Schlafsäcke im Auto unserer Mitfahrgelegenheit liegen gelassen haben. Glücklicherweise waren unserer Fahrer noch in der Gegend und konnten diesen uns nachliefern…Für uns hieß es somit nur noch einen moment länger wachzubleiben ehe wir uns ins Bett fallen lassen konnten.
Tag 1: Going – Kaindlhütte
Wir stellten den Wecker auf 4 Uhr und waren nach einer Katzenwäsche in unserer Unterkunft gegen 5 Uhr auf dem Weg für die Rundstrecke. In der Nacht hatte es ganz gut geregnet, aber zu so früher morgenstund hatten wir noch Glück. Der Tag sollte erstmal trocken starten.
Die Stirnlampen waren schon um 5 Uhr morgens fast unnötig, da der anstehende Sonnenaufgang genug Beleuchtung mit sich brachte. Den Ausgangspunkt des Rundwegs erreichten wir gegen 6 Uhr. Und pünktlich zum offiziellen Streckenbeginn sollte nun auch der Regen einsetzen. Wir studierten die am Wegesrande stehende Wanderkarte und setzten uns dann weiter in Bewegung.
Beim ersten Aufstieg macht man dabei auch rasch die Erfahrung, dass Aufstiege mit dem Gepäck für drei Tage auf dem Rücken, dann doch ein wenig anstrengender als gewohnt sind. Hervorragend.
Kleinere Stücke laufen ging dennoch. Und manchmal läuft es dann auch so gut, dass man prompt eine Abzweigung übersieht, vom Weg abkommt und wieder zurückgehen muss. Kommt dann noch Regen hinzu, würde man am liebsten irgendwo ein Feuerchen machen und das ein oder andere Stockbrot backen, während man seine Begleitung alleine weiterwandern lässt, aber es hilft ja alles nichts…immerhin konnten wir die Aussicht in dichte Nebelwände genießen.
Auf Umwegen: Schleierwasserfall
Die erste Sehenswürdigkeit ist der Schleierwasserfall in dessen nächste Nähe wir uns eher ungeplant verliefen. Eingebettet in einen dicken, verregneten Nebelschleier machte er am heutigen Tag seinem Namen alle Ehre.
Nach dem kurzen Ausflug zum Wasserfall gingen wir zurück um wieder den geplanten Weg zu folgen, natürlich setzte wieder Nieselregen ein, doch das Glück war uns hold: während eines kurzen Augenblicks öffnete sich vor uns der Nebelschleier und ließ einen Blick auf die kaiserliche Krone zu.
Der Weg verlief nun abwechselnd durch kniehohe Schneefelder und sehr matschigen Passagen und machte so das Wanderleben keinesfalls zu einem leichten Vergnügen.
Planänderung: Vom Baumgartnerkopf zur Gaudeamushütte
An der oberen Regalm vorbei ging es zum Baumgartnerkopf, auf dessen kurzen Aufstieg wir eine recht anstrengende Spur in die Schneezunge treten mussten. Als wir oben angekommen sind, war uns klar, dass wir durch den Schnee den von mir ursprünglich geplanten Abstecher über den Wilder-Kaiser-Steig nicht machen sollten. Also suchten wir nach einen tieferen Zuweg zur Gaudeamushütte, die unsere nächstes Zwischenziel darstellen sollte.
Wir stiegen den Wanderweg 815 gute 200 Höhenmeter hinab und wanderten dann auf dem mittleren Höhenweg in Richtung Hütte.
Dabei klärte sich nun auch langsam der Himmel ein wenig auf und die ersten durchbrechenden Sonnenstrahlen beschenkten uns zwischenzeitlich mit einem kleinen Regenbogen.
An der Gaudeamushütte: quo vadis?!
Auf der Gaudeamushütte war handwerklicher hochbetrieb: Sie wurde gerade für die nahende Saison wieder in Schuß gebracht und während wir bei der Hütte standen und überlegten, ob wir es gut zur Gruttenhütte durch die nicht ganz vertrauenserweckenden Schneefelder schaffen würden, bekamen wir Gesellschaft von einen der arbeitenden, der uns mit Informationen aus erster Hand versorgen konnte.
Er riet uns letztendlich davon ab es zu probieren, da die handvoll Wanderer, die es in den letzten Tagen versucht hätten wohl wieder umgekehrt sind und zeigte uns einen alternativen Weg, der tieferliegend verläuft, auf den mittleren Höhenweg trifft von welchem wir dann wieder unsere Route (Über Wanderweg 14a) geplant fortsetzen könnten.
Seinen Rat befolgten wir und in der frühen Mittagszeit fanden wir so einen Platz für eine Brotzeit auf offener Wiese bei besten Sonnenschein anstatt uns durch den Schnee zu hetzen.
Folgt man dem Wanderweg 14a, so stößt man von der anderen als geplanten Seite auf die Gruttenhütte. Als wir sie vor uns sahen waren wir schon ein wenig betrübt, dass wir den geplanten Aufstieg durch die Klamml zur Hütte nicht zumindest einmal aus der Nähe angeschaut haben, denn unser Wanderweg verlief bis zur Hütte fast völlig unproblematisch (Allerdings ist er auch sehr der Sonne zugewandt gewesen).
Zum Hintersteiner See
Das nächste Ziel war nun der Hintersteiner See. Der Regen hat vollständig aufgehört und der Ausblick am Rande des Kaisers auf die umliegenden Täler und Berge war bombastisch. Der gesamte kommende Streckenteil bis zum See war bis auf sehr wenige Schneereste unkompliziert zu bewandern, dabei aber phänomenal schön. Dennoch hab ich die Wegbeschaffenheit als eher uneben, sprich mit Steinen besetzt, in Erinnerung was eine Laufen (und Wandern) durchaus anstrengend macht.
Gegen 14:30 Uhr waren wir somit erst am Seestüberl am Hintersteinersee (offizielle Wegstrecke: rund 18 km) und es war somit abzusehen, dass wir zu spät in unserem geplanten Tagesziel, dem Anton-Karg-Haus bei Kilometer 33 ankommen würden.
To go or not to go – Seestüberl
Was also machen? Die wenigsten Hütten waren an diesem Wochenende überhaupt schon in Betrieb. Unser Material war für ein „wildes campen“ nicht vorgesehen. Also wieder nach Going fahren? Ein Blick auf die Karte zeigte, dass wir es recht gut noch zur ca. 10 km entfernten Kaindlhütte schaffen könnten. Nachdem wir beim Gastwirt der Seestüberl nachfragten, ob er wüßte ob die Hütte schon geöffnet sei (und Platz für uns hat), rief dieser höchstpersönlich bei uns an und kündigte unser kommen an.
Auf zur Kaindlhütte
Wir aßen einen äußerst leckeren Apfelstrudel (mit einer großen Portion Sahne) und machten uns anschließend wieder auf den Weg zur Kaindl Hütte.
Es hat sich gelohnt nicht auszusteigen. Das Panorama zwischen dem Hintersteinersee und der Hütte (besonders auf dem westlichen Zwischenstück bis zur Walleralm) ist offener und weitsichtiger, also einfach anders aber genauso lohnenswert wie der auf dem bereits begangenem Teil. Auf dieser Teilstrecke kamen allerdings auch schon wesentlich mehr Blumen durch um das nahende Frühlingserwachen anzukündigen.
An der Kaindlhütte kamen wir gut erhalten an und hatten in der nahen Umgebung noch die Gelegenheit ein Pseudo-Gipfelkreuz mitzunehmen.
Wir aßen eine Kartoffelsuppe bzw. ein Stück Braten mit Knödel und legten uns dann erschöpft und zügig in das für uns bereitgestellte dreier Zimmer schlafen. Auch hier ist die Bewirtschaftung und vor allem Gastfreundschaft der Hütte sehr zu loben.
Tag 2: Kaindlhütte – Pryramidenspitze – Kufstein
Morgens sind wir als einer der ersten aufgestanden, bedienten uns an einem ausführlichen und liebevoll hergerichteten Frühstücksbuffet und machten uns dann auf. Uns war klar, dass wir sehr wahrscheinlich wegen der Wegbeschaffenheit die komplette Umrundung wohl nicht mehr am heutigen Tag schaffen werden allerdings wollten wir mindestens zum Anton-Karg-Haus ziehen um eine Entscheidung zu treffen.
Der Bettlersteig
So wanderten wir mit Blick auf den Zahmen Kaiser auf den Bettlersteig zu. Ein Glück, dass wir diesen gestern abend ausgelassen hatten: Er verläuft direkt an einem Hang und die steilen Treppenpassagen waren passagenweise noch an ungünstigen Stellen mit Schnee bedeckt. Insgesamt war der Weg noch nicht repariert und wir stießen immer wieder auf eingebrochene Holzplanken und Stufen. Das bei Dunkelheit bzw. Zeitdruck zu gehen hätte wenig Spaß gemacht, so war es allerdings umso schöner: Ein lohnenswerter kleiner Steig, der wieder einmal zur Abwechslung der gesamten Tour beiträgt.
Der Steig endet vor der Straßwalch Jagdhütte, die an diesem Tag ein hervorragendes Fotomotiv abgab.
Abbruch: Anton-Karg-Hütte – Pyramidenspitze
Ab der Jagdhütte ist der Rest bis zur Anton-Karg-Hütte ein Kinderspiel…und Hindernislauf, da auch hier noch nicht der Weg auf Vordermann gebracht wurde.
An der Anton-Karg-Hütte entdeckte ich, dass auch ein Weg auf die Pyramidenspitze im Zahmen Kaiser führt. Da ich diese kenne, beschloßen wir in Richtung dieser nach Kufstein zu gehen und somit den angedachten Rundkurs abzubrechen – zumal nach Auskunft eines Wirtes bisher noch niemand von der geplanten Richtung in die frisch eröffnete Hütte einkehrte und wieder für uns ungewisse Schneebestände vorherrschen würden.
Der Aufstieg geht steil über manche Wurzeln hoch, so dass wir zügig Höhenmeter gutmachten. Auf ca. 1500 schneelosen Höhenmeter endet für uns der Aufstieg und wir wandern auf dem Wanderweg 811 in Richtung der Vorderkaiserfeldenhütte. Unterwegs legten wir selbstverständlich noch eine kleine Brotzeit ein.
Vorderkaiserfeldenhütte, Tischoferhöhle
Von der Vorderkaiserfeldenhütte geht es fast nur noch bergab: zunächst zur Ritzaualm, an der wir ein Spiel des Windes mit den Wolken begutachten durften.
Wir entschlossen uns den breiten, aber direkten Normalweg abzusteigen; ein Wirtschaftsweg, der zwischen den verschiedenen Hütten verläuft. Diesen verließen wir erst an der Abzweigung zur Tischoferhöhle, über welchen wir dann letztendlich nach Kufstein abstiegen.
Kufstein
In Kufstein ging es erstmal mit Hilfe des free-Wifis auf Unterkunftsuche für die Nacht, ehe meine Freundin dann endlich (und erleichtert) ihr verdientes Belohnungseis genießen konnte.
Mit der geräumigen, ruhigen und hellen Unterkunft im Gasthof “Kienbergklamm” hatten wir sehr viel Glück gehabt und waren offensichtlich glücklich die Nacht nicht auf der Straße zu verbringen.
Tag 3 – Die Abreise
Am nächsten morgen freuten wir uns über ein Frühstück, ehe es zu einer kurzen Stadtbesichtigung von Kufstein ging und wir in der frühen Mittagsstunde mit der Bahn in Richtung heimat auftraten.
Fazit
Wir haben zwar nur ca. die Hälfte der offiziellen Strecke Wanderstrecke gesehen, aber das was wir gesehen haben hat uns immens gefallen. Wer nicht unbedingt die Notwendigkeit in sich verspürt auf jeden Gipfel zu steigen, sondern sich auch mit dem „Grüngürtel“ drumherum zufrieden gibt, für den ist die Strecke ein absoluter Traum. Sie ist vielfältig, extrem abwechslungsreich, jedoch auch nicht ganz einfach: auch ebene Wege beanspruchen auf dieser Tour oftmals die Beine. Tauschnee in den Alpen ist überall eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Eine Änderung der ursprünglich geplanten Strecke war für uns sicherlich die richtige Entscheidung. Wir werden wiederkommen.
Streckenverlauf und Daten
Hinweis: Die Aufzeichnung ist kombiniert (Gesamtzeit falsch; Streckeninterpolation am See)